Schon wieder ein Fußballer!

Ich muss mich bei meinen wahrscheinlich eher wenigen Leserinnen und Lesern entschuldigen. Bei meinen wahrscheinlich eher wenigen Leserinnen und Lesern, die sich nicht für Fußball interessieren, meine ich. Schon wieder ein Fußballer! Meiner selbstverständlich großen Leserschaft sei versichert, dass ich diesen Fußballer aus Maltas Premier League nicht aktiv gesucht habe. Er stand einfach da, einfach so. Nicht so wie die wackeren Kicker aus Düdelingen. Der Besuch bei Luxemburgs Europaliga Teilnehmern war ja geplant. Und George Best in Girne?, „The George“? Geschenkt, eine Anekdote, mehr nicht. Karl Pulo ist Realität. Karl, Jahrgang 1989, steht hinter dem Tresen der Rezeption des Hostels. Seines Hostels. Des „Inhawi Boutique Hostels“.

 

Karl hat für die Zukunft vorgesorgt. Es ist ja nun einmal auch nicht so, dass die Fußballer in Maltas höchster Spielklasse alle mit Ferraris oder Lamborghinis auf Maltas Straßen herum rasen. „Wir sind fast alles Halbprofis, die meisten von uns haben noch einen anderen Beruf.“ Karls Zukunft ist das Hostel, welches bereits mehrfach ausgezeichnet wurde.

„Ich hatte die Gelegenheit, das Hostel zu kaufen. Ein schönes Gebäude in hervorragender Lage. Und welches Hostel hat schon einen Pool? Fast alle Gäste sind sehr zufrieden.“

Es ist Karl Pulo deutlich anzumerken, dass er sehr stolz auf sein Hostel ist. Es ist ein Hostel, kein Hotel. Ich übernachte hier in einem gemischten Schlafsaal. Fünf Etagendoppelbetten. Natürlich, das ist schon eine gewisse Herausforderung. Besonders dann, wenn fünf Mädels aus Australien und England das Zimmer in kürzester Zeit in einen Müllhaufen verwandeln. Die anderen drei Frauen sind ganz ok, wie mein Leidensgenosse aus Asien und ich uns gegenseitig bestätigen. Dafür dauert es ja dann nachts um halb vier, als die Mädels vom Feiern zurück kommen, auch nur etwa eine halbe Stunde lang, bis wieder Ruhe herrscht (mindestens bis zu dem Moment, bis ich wieder eingeschlafen bin und anfange, zu schnarchen). Gut, Hostels haben halt Vor- und Nachteile. Man lernt in Hostels auch viele interessante Menschen kennen, wie hier zum Beispiel Charly aus England. Oder, wie in diesem Fall, den Besitzer des Hostels persönlich.

Mit Charly aus England und dem zugeflogenen Pinguin Julian

 

Karl Pulo berichtet mir, dass er Fußballer ist, als ich ihm von den Spielen der Kleinstaaten erzähle. „An irgend so einem Turnier kleiner Staaten habe ich auch einmal teilgenommen, mit dem U23 Team.“ Nun, wie mir Karl später per WhatsApp berichten wird, waren es nicht die Spiele der Kleinstaaten, sondern die „Mediterranean Games“ 2009 in Pescara in Italien, bei denen er mit Maltas U23-Team allerdings gegen die Türkei und Frankreich zwei Niederlagen hinnehmen musste. Es ist ja auch wirklich nicht einfach für Malta, gegen die großen Fußballnationen anzutreten. Karl hat eine ganze Reihe von Spielen mit der U23 Nationalmannschaft absolviert, auch wenn nur vier davon in der offiziellen Wertung der FIFA aufgenommen sind (alle anderen Spiele waren Freundschaftsspiele oder im Rahmen von Turnieren außerhalb des offiziellen FIFA-Spielplans, so wie die erwähnten Mittelmeerspiele). Gemeinsam schauen wir auf www.transfermarkt.com nach. Hier steht es: 2009, Qualifikation zur UEFA-Europaliga, U23: Slowenien vs Malta 2:0, Malta vs Belgien 0:1, Malta vs Frankreich 0:2, Malta vs Ukraine 0:3. Zwar vier Spiele, die verloren wurden, aber gegen diese Gegner war auch wirklich nicht mehr drin. Im Gegenteil, es waren sehr ansprechende Spiele Maltas.

Na gut, durchgespielt hat Karl nicht immer. Gegen Belgien wurde er zum Beispiel erst in der Nachspielzeit eingewechselt. Das soll aber nichts heißen, denn die Belgier holten einen Spieler auch erst spät von der Auswechselbank, der keinen ganz unbekannten Namen trägt: Romelu Lukaku. „Was für ein Riese. Uns kleine Kerle ließ dieser Brocken einfach abprallen. Oder bei Frankreich, da spielte zum Beispiel dieser Sakho in der Innenverteidigung. Auch so ein Schrank.“ Während es mit den Karrieren von Lukaku und Sakho steil bergauf ging (den Expertinnen unter Ihnen brauche ich ja wohl nicht zu erklären, dass es diese Spieler bis in die englische Premier League geschafft haben und heute bestimmt jeweils eine ganze Garage voller Luxuslimousinen besitzen), hatte Karl Pulo Pech. Als es gerade so richtig gut lief, verletzte er sich am Knie. Mit dem Traum von einer internationalen Karriere war es danach vorbei, aber für die Premier League Maltas reichte es immer noch. Immerhin stehen für ihn zum Beispiel 132 Spiele in der höchsten Liga Maltas und drei Spiele in der Qualifikation zur UEFA Champions League zu Buche.

 

„Ich habe zwar mehrfach die Clubs gewechselt, aber bei den Fans meiner ehemaligen Vereine bin ich immer noch sehr beliebt. Sie jubeln mir immer noch zu, wenn ich ihnen vom Platz aus zuwinke. Ich glaube, sie machen das, weil ich auf dem Platz immer Vollgas gebe.“ Bis zu seiner Verletzung spielte Karl im Sturm, danach als linker Verteidiger. Ich erzähle ihm, dass ich in Senegal einen ehemaligen Fußballprofi kennengelernt habe, Alpha Diao, den man u.a. Guillet oder Zico nannte. Ein feiner Techniker, also. „Die Afrikaner, die in unserer Liga spielen, sind oft körperlich extrem robust. Nicht einfach, gegen die anzukommen. Aber die kleineren Afrikaner sind noch unangenehmere Gegenspieler. Wieselflink und schnell wie die Hasen.“ Aber wie war das denn so, gegen Spieler wie den Franzosen Sakho zu spielen? „Ich fühle mich sehr geehrt, gegen ihn gespielt zu haben.“ Typisch Karl, er findet natürlich nur lobende Worte für diesen hervorragenden Spieler, auch wenn man durchaus vermuten kann, dass er Albträume bekäme, wenn er wüsste, dass er noch einmal gegen solch einen unüberwindbaren Gegenspieler antreten müsste. Warum Karl 2009 im Spiel gegen Frankreich übrigens eine gelbe Karte erhielt, bleibt leider unklar. Meine Vermutung, dass Karl ja wohl kaum wegen eines Foulspiels an Sakho gelb gesehen haben wird, sondern wohl eher wegen Zeitspiels oder wegen eines Missverständnisses (vielleicht habe er ja Sakho um ein Autogramm gebeten und dieser verstand, dass Karl ein Date mit seiner Schwester haben wollte), will Karl nicht weiter kommentieren. „Irgendetwas wird da schon gewesen sein, ich habe es vergessen.“  

Karl sportliche Zukunft ist zum Zeitpunkt unserer Gespräche noch offen. Sein Vertrag endete vor zwei Wochen, aber der Entwurf für eine Vertragsverlängerung (inklusive die Ausleihe an einen Club in der unteren Tabellenhälfte) liegt auf seinem Schreibtisch. „Hier ist er, ich brauche nur noch zu unterschreiben. Früher habe mit meinen Vereinen um die Meisterschaft mitgespielt. Aber solange es noch für die Premier League reicht, bin ich zufrieden.“ Karls Wert auf dem Transfermarkt wird auf der o.g. Webseite mit 25 Tausend Euro beziffert. „Das ist ja ein Schnäppchen. Vielleicht sollte ich Dich für meinen Dorfverein zuhause verpflichten?“ Da muss Karl lachen. „Warum nicht, aber wahrscheinlich würde ich sehr schnell Heimweh bekommen und wieder nach Malta zurückkehren.“     

Es ist ja nicht einfach, einen Menschen nach nur ein paar Gesprächen, die zusammen weniger als eine Stunde lang dauerten, einzuschätzen. Lieber Karl, vielleicht ganz gut so, dass es mit der ganz großen Karriere als Fußballprofi dann doch nicht geklappt hat. Wer weiß, ob Du sonst genauso ein sympathischer Typ mit Bodenhaftung geblieben wärst. Für alle Leserinnen oder Leser, die sich jetzt vielleicht Hoffnungen machen und schon ihre Reise nach Malta planen: Karl ist glücklich verheiratet. „Nein, Kinder haben wir noch keine, aber wir wollen mal welche haben, natürlich.“ Auch hierin sind sich Karl und ich einig. Familie ist ganz, ganz wichtig. „Mit meinem Vater werde ich morgen mit der Fähre nach Sizilien fahren. Wir machen dann dort so einen Vater-Sohn-Ausflug mit Motorrädern.“ Also dann, viel Spaß auf Sardinien und alles, alles Gute für Dich und Deine Familie. Möge Dein Hostel stets ausgebucht sein. Ach ne, das war jetzt ein blöder Wunsch. Denn als ich wegen der Protestveranstaltung am 16. Juli meinen Aufenthalt in Karls Hostel verlängern möchte, muss ich erfahren, dass alle Betten belegt sind. Andererseits – nach vier Nächten im Schlafsaal tut es auch ganz gut, wieder in einem Einzelzimmer zu übernachten.

Balluta Bay in St. Julian, wahrscheinlich eine der besten Ecken auf ganz Malta! Hier befindet sich das Hostel von Karl Pulo