Als ich gestern noch ein wenig Zeit zu überbrücken hatte, bis mein Bus nach Bar abfuhr, war ich noch für eine knappe Viertelstunde in der Sporthalle beim Busbahnhof. Dort spielten zu diesem Zeitpunkt gerade die Volleyballerinnen aus Island gegen Liechtenstein. Und die Isländer machten einen Mordsradau. An der Trommel: Stefan Jökull. Am Abend sah ich im Internet, dass das Spiel mit 3:0 gegen Liechtenstein gewonnen wurde. Und heute um 11.00 spielen die Isländerinnen gegen die besten Volleyballerinnen des Turniers, gegen Montenegro. Für dieses Spiel habe ich Stefan mein Kommen zugesagt. Ich erreiche die Halle gerade rechtzeitig zum ersten Ballwechsel.
Es ist nicht ganz einfach, sich bis Stefan durchzukämpfen, denn die Halle ist sehr, sehr gut besucht. Die Spielerinnen aus Montenegro sind offenbar sehr beliebt in ihrer Heimat, denn so viele Zuschauer aus Montenegro wie hier habe ich bisher noch nirgends gesehen. Eine Gruppe Jugendlicher hat sich hinter Stefan und den Seinen gesetzt, um den „Island, Island“ Anfeuerungsrufen und dem Trommeln Stefans vokal etwas entgegen zu setzen.
Nach ein paar Minuten bin ich zu Stefan durchgedrungen. Der hat allerdings momentan überhaupt keine Zeit für mich, denn er trommelt pausenlos, was das Zeug hält. Vergeblich, der erste Satz geht klar mit 13:25 verloren. Jetzt ist Pause und Stefan kann seine Stimme und seine Trommel ein wenig schonen. Wie ich schon vermutet hatte, spielt seine Tochter mit. „Da neben dem Trainer, die Nummer 4. Sie ist etwas angeschlagen, aber mitspielen wollte sie auf jeden Fall.“
Etwas angeschlagen wirkt das ganze Team, aber eine Isländerin gibt so schnell nicht auf. Im zweiten Satz ist das Ganze schon deutlich enger, aber auch dieser Satz geht schließlich mit 25:19 an Montenegro. Stefan ist aber nicht traurig. „Die Mädchen würden sehr gerne gewinnen, denn dann hätten sie am Ende die Silbermedaille. Aber auch im Falle einer Niederlage reicht es wohl für die Bronzemedaille.“ Und nach dem Turnier? Fliegt er dann gleich zurück nach Island? „Nein, meine Tochter und ich bleiben noch zwei Tage hier und machen Urlaub.“ Den haben sich Vater und Tochter dann auch redlich verdient.
Im dritten Satz können die Isländerinnen sogar vorübergehend in Führung gehen, doch dann dreht Montenegro noch einmal auf. Mit 25:21 gewinnen die sehr starken Spielerinnen aus Crne Gorja auch den dritten Satz und somit nicht nur das Spiel, sondern auch die Goldmedaille. „Champeones, champeones“, singen jetzt nicht nur die Jugendlichen hinter uns.
Stefan ist jetzt ganz schön heiser, nach fünf Tagen. Aber auch sehr glücklich. „Unser Team hat hier sehr engagiert gespielt, wir können sehr stolz auf sie sein.“ Wir drücken uns die Hände und wünschen „good luck“, und dann muss ich schnell wieder zurück zu Tennis. Vielleicht habe ich ja Glück und sehe noch die letzten Ballwechsel im Finale der Frauen. Tatsächlich, auf dem Center Court wird noch gespielt. Ich sehe an der Anzeigetafel, dass Vladica Babic den zweiten Satz mit 7:6 gewonnen hat. Jetzt führt sie mit 4:3, aber Eleonora Molinaro hat Aufschlag. Am Rande des Luxemburger Fanblocks ist noch ein Plätzchen frei. Die Unterstützung ihrer Fans hat Erfolg: Eleonora Molinaro gleicht zum 4:4 aus. Trotzdem scheint die Montenegrinerin das Momentum auf ihrer Seite zu haben. Sicher gewinnt sie ihr Aufschlagspiel zum 5:4. Und tatsächlich, das nächste Spiel ist schon das letzte. Die Luxemburgerin hadert mit sich selbst, bringt ihre Aufschläge nicht ins Ziel.
Matchball. Und geschafft. Spiel, Satz und Sieg für Vladica Babic! Ihre Fans jubeln mit ihr. Und ich? Ich freue mich auch für die glückliche junge Frau und mische mich unter die Fotografen für das Siegerinnenfoto.