Ausflug in das Troodos-Gebirge

 

Bei der Hitze, die im Sommer in Nikosia herrscht, nimmt es nicht wunder, dass die britischen Gouverneure die Sommer lieber im deutlich kühleren Troodos-Gebirge verbrachten. Durrell lobte die dortige Regierungsunterkunft in den höchsten Tönen: „Es wirkte wie ein Hauptquartier, das man aus Angst vor Luftangriffen an eine sorgsam ausgesuchte Stelle gelegt hat. Das Gebäude selbst hat nichts zu bieten als die Erinnerung an seinen Erbauer (Anmerkung des Autors: Rimbaud), dessen Werk auf einer schön gravierten Plakette gedacht wird; denn es ist im traditionellen Stil öffentlicher Bauten gehalten und gleicht den unzähligen Villen dieser Art in den indischen Bergstationen. Überhaupt sah das ganze Troodos mit seinen primitiven Latrinen und der ganzen hoffnungslosen Öde aus wie eine lieblos und planlos gebaute Bergstation. Man würde kaum auf den Gedanken kommen, hier seine Ferien zu verbringen, nicht einmal in einem der drei oder vier gut geleiteten Hotels, es sei denn, man wäre ans Bett gefesselt. Man würde sich zu Tode gähnen.“ Super, das ist ja eine hervorragende Empfehlung. Da muss ich unbedingt hin!

Natürlich ist es nicht die von Durrell beschriebene Ödnis der Bergstation, die mich lockt. Das Troodos-Gebirge hat außer einem angenehmen Klima auch den höchsten Berg Zyperns (den 1952 Meter hohen Olympos), durchaus hübsche Bergdörfer und sehr interessante Klöster zu bieten, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen, so auch das Kykkos-Kloster.

 

Ich miete ein Auto und mache mich dorthin auf den Weg. Die staubige, heiße Ebene Mesoria ist von Nikosia aus schnell durchquert. Zu Fuße des Gebirges verlasse ich die Richtung Troodos führende Hauptstraße und folge der Ausschilderung „Kykkos-Kloster“. Serpentine für Serpentine quäle ich den Kleinwagen im zweiten Gang die Berge hoch. Hier kommt mir zum Glück kaum ein Auto entgegen. Es wird immer einsamer. Ich durchquere das wie ausgestorben daliegende Örtchen Gerakies. Kein Mensch ist hier auf der Straße. Wunderbar. Ich male mir aus, dass ich in so einem abgelegenen Kloster sicherlich mit meiner Pilgerreise nach Athos punkten kann. Wenn ich auf dem Handy das Foto meines Diamonitrions zeige, bekomme ich zur Begrüßung ja vielleicht sogar eine Süßigkeit und einen Schnaps. Die Mönche werden sich sicher freuen, wenn ich ihnen erzähle, dass ich meine Pilgerreise jetzt auf Zypern fortsetze. Und dass ich mich natürlich sehr für die berühmten byzantinischen Fresken und die Ikonensammlung des Klosters interessiere.

Es geht immer höher hinauf, jetzt brauchen mein Kleinwagen und ich aber bald eine Pause. Doch was sehe ich denn da? Ein Stoppschild an einer Straßenkreuzung. Von links kommen Autos aus Troodos, rechts geht es zum Kykkos-Kloster. Noch 10 Kilometer auf einer viel befahrenen Hauptstraße. Was bin ich doch für ein Traumtänzer. Von wegen einsames Kloster. Vor dem Kloster stehen Busse großer Reiseunternehmen, und auch die PKW-Parkplätze sind bis zum Anschlag belegt. Glück gehabt, ein Platz wird gerade frei. Glück gehabt? In Scharen strömen die Besucher ins Kloster.

Ich bin hier fast der einzige Mann mit langer Hose, denn natürlich fahre ich ja nicht in kurzer Hose zu einem Kloster. Die anderen Besucher bekommen lila Gewänder zum Verdecken der nackten Haut, Männlein wie Weiblein. Sie sehen darin ja durchaus lustig aus, diese Touristen aus aller Welt. Aber meine Laune wird davon auch nicht viel besser. Was für ein Rummel hier, was für eine Enttäuschung, trotz der wirklich großartigen Fresken. Und was für ein Depp ich doch bin.

Dachte ich doch tatsächlich, dass es hier noch genauso ruhig ist wie 1926, als der damals 13 jährige Michail Christodoulos Mouskos als Novize im größten und bekanntesten Kloster Zyperns aufgenommen wurde? Dieser junge Mann sollte später den Namen Makarios annehmen. Ja, der Erzbischof Makarios III hat hier seine ersten Jahre als Mann der Kirche begonnen. Nach der Zeit am Panzyprischen Gymnasium arbeitete er eine Weile als Lehrer im Kykkos-Kloster. Die meisten der Touristen hier interessiert das wohl wenig. Am zwei Kilometer oberhalb des Klosters gelegenen Grab des 1977 verstorbenen Makarios bin ich fast alleine. Fast, denn zwei Soldaten bewachen das Grabmal.

Knapp einhundert Meter oberhalb des Grabes ist eine Kapelle, von der aus man eine großartige Aussicht auf das ganze Troodos-Gebirge hat. Hier treffe ich auch noch eine Handvoll griechisch sprechender Touristen an.

Andere Touristen sind mit dem Auto die zwei Kilometer vom Kloster hier hoch gefahren, um sich die Statue von Makarios anzuschauen. Ja, genau diese Monumentalstatue, die vorher vor dem Bischofspalast in Nikosia stand hat hier ihren Platz gefunden. Makarios kann von hier aus einen Parkplatz, einen Souvenirladen und ein paar Sendemasten beobachten, wenn er seinen Blick nicht gerade zum Olympos oder zu anderen Bergen des Troodos-Gebirges lenkt.

Ich verabschiede mich höflich von Makarios und fahre weiter nach Prodromos, dem höchstgelegenen Dorf Zyperns. In eine der einladenden Tavernen kehre ich ein und versuche mich am Schweine-Souvlaki. Leider keine gute Wahl, denn das Gericht ist viel zu reichhaltig für mich. Mit übervollem Magen fahre ich am Olympos vorbei nach Troodos. Nach der superben Beschreibung von Durrell habe ich nicht viel vom Troodos-Square erwartet. Meine Erwartungen werden fast erfüllt. Sollte es Sie, liebe Leserschaft, irgendwann einmal hierher verschlagen, wird es Ihnen hier bestimmt sehr gut gefallen, sofern Sie Fans großer Ansammlungen von Souvenirläden sind. Wenn nicht, empfehle ich Ihnen aber doch, den freundlichen Obsthändler am Parkplatz aufzusuchen, frisches Obst zu kaufen und dann wieder abzufahren. Zurück nach Nikosia, oder wo auch immer Sie übernachten.

Bringen Sie bitte etwas mehr Zeit mit als ich, denn dann könnten Sie auf dem Artemis-Pfad den Olympos in drei Stunden umwandern, wenn die Angaben auf der Stelltafel am Parkplatz stimmen. Und eine Wanderung hier oben im schattigen Wald ist auf jeden Fall deutlich mehr zu empfehlen als ein Besuch des Troodos-Squares.